Der Brexit wurde verschoben: auf den 12. April, wenn kein Vertrag verabschiedet wird, oder auf den 22. Mai, wenn das britische Parlament den von Theresa May ausgehandelten Vertrag akzeptiert. Dennoch bleibt unklar, welche Folgen der Brexit für Unternehmen in Großbritannien und der EU haben wird. Unternehmen versuchen, sich begreiflich zu machen, was nach Ablauf der Frist am 29. März auf sie zukommen wird. In diesem Beitrag informieren wir über einige Leitlinien, die von offiziellen Stellen zum Umgang mit dem Brexit herausgegeben wurden. Sie sind besonders relevant für Unternehmen aus der Industrie. Zudem stellen wir Überlegungen zur künftigen Verwendung der englischen Sprache an.
Bekanntlich ist der Begriff „Brexit“ nach dem Referendum 2016 durch die Verschmelzung von „British“/ „Britain“ und „exit“ entstanden. In diesem Referendum haben sich die britischen Wähler für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union entschieden. Seitdem laufen die Bemühungen, ein Austrittsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU auszuhandeln, obwohl bisher kein solches Abkommen – oder kein „Deal“ – erzielt wurde. Im Moment scheint es daher wahrscheinlich, dass das Vereinigte Königreich die EU in einem „No-Deal“-Szenario verlassen wird, was sich vermutlich auf britische und EU-Unternehmen auswirken wird. Unternehmen müssen jetzt auf diesen Fall vorbereitet sein. Offizielle Stellen haben bereits damit begonnen, Leitlinien zu erstellen und zu erklären, was ein No-Deal-Brexit bedeutet, insbesondere für bestimmte Branchen.
Wenn Sie Hersteller sind oder mit Industrieprodukten handeln, wenn Sie im medizinischen Bereich oder mit geistigen Schutzrechten arbeiten und wenn dies in irgendeiner Form geschäftliche Beziehungen in das Vereinigte Königreich betrifft, richtet sich dieser Artikel an Sie. Wir werden auf die Folgen eines No-Deal-Brexit für Unternehmen eingehen, die mit Industrieprodukten, Arzneimitteln und Medizinprodukten handeln oder im Bereich klinische Studien und geistige Schutzrechte tätig sind. Im letzten Teil des Artikels werden wir auf weitere mögliche Auswirkungen bei der Internationalisierung von Unternehmen eingehen, die Beziehungen zum britischen Markt pflegen.
Brexit-Folgen: die EU-Leitlinien für Industrieprodukte
Mithilfe einer Reihe von Leitlinien in Form eines Q&A-Dokuments vom 1. Februar 2019 geht die Europäische Union auf einige Brexit-Folgen mit Bezug auf Industrieprodukte ein, ebenso auf die geltenden Rechtsvorschriften für den Fall, dass das Vereinigte Königreich am 30. März ohne ratifiziertes Austrittsabkommen zum „Drittland“ wird (No-Deal-Brexit).
Die EU-Leitlinien konzentrieren sich auf eine Reihe von Ansätzen, die auch in einer Publikation über die Brexit-Folgen von Qarad behandelt werden, einem belgischen Unternehmen, das sich auf regulatorische Angelegenheiten und Qualitätssysteme für die IVD- und Medizinprodukteindustrie spezialisiert hat. Mit dieser Publikation möchte Qarad angesichts der bevorstehenden Frist Hilfestellung leisten. Nachfolgend führen wir die wichtigsten Punkte der beiden Dokumente auf:
Waren, die vor dem Austrittsdatum auf den EU-Markt gebracht werden, h., in der EU vertriebene, in der EU hergestellte oder eingeführte und ab dem 29. März gelieferte Waren, bleiben unverändert verfügbar, da sie vor dem Austrittsdatum in Verkehr gebracht wurden.
Compliance-Regelungen: Autorisierte EU-Vertreter von Unternehmen, die vom Vereinigten Königreich aus tätig und für die Einhaltung von EU-Bestimmungen zuständig sind, verlieren mit dem Austritt Großbritanniens ihre Befugnisse. Unabhängig davon, wann die Produkte in Verkehr gebracht wurden, müssen Hersteller einen neuen Vertreter mit Sitz in der EU bestellen. Waren, die nach dem Austrittsdatum in Verkehr gebracht werden sollen, müssen in Übereinstimmung mit den EU-Rechtsvorschriften neu gekennzeichnet werden; Waren, die vor dem Austritt in der EU der 27 in Verkehr gebracht werden, gelten als ordnungsgemäß gekennzeichnet.
Importeure (von Produkten, die über Großbritannien eingeführt und bis zum Tag des Austritts in der EU in Verkehr gebracht werden): Entsprechend den veröffentlichten EU-Leitlinien gelten Importeure mit Sitz in Großbritannien mit dem Austritt nicht mehr als EU-Unternehmen. Wer Waren von britischen Herstellern oder in Großbritannien ansässigen Importeuren bezieht, gilt jetzt als Importeur, wenn er Waren in der EU erstmalig in den Verkehr bringt.
Übertragung von Bescheinigungen benannter Stellen: CE-Bescheinigungen, die von einer britischen benannten Stelle (NoBo) ausgestellt wurden, verlieren ihre Gültigkeit und müssen durch eine CE-Bescheinigung ersetzt werden, die von einer benannten Stelle der EU der 27 ausgestellt wurde. Wirtschaftsteilnehmer müssen entweder eine neue Bescheinigung bei einer benannten Stelle der EU der 27 beantragen oder vor dem Austrittsdatum die Übertragung der Akte und der entsprechenden Bescheinigung auf eine benannte Stelle der EU der 27 veranlassen. Nach dem Austritt müssen die EU-Konformitätserklärung und die Bescheinigung der benannten Stelle aktualisiert werden.
Akkreditierungsleistungen (d.h. die von einer nationalen Akkreditierungsstelle ausgestellte Bescheinigung, dass eine Konformitätsbewertungsstelle die Anforderungen für die Durchführung einer bestimmten Konformitätsbewertung erfüllt): Akkreditierungen durch die britische Akkreditierungsstelle sind zum Zeitpunkt des Austrittsdatums in der EU der 27 nicht mehr gültig und werden nicht mehr anerkannt.
Folgen des Brexit für Arzneimittel, Medizinprodukte und klinische Studien
Im Hinblick auf die Leitlinien der EU und die Änderungen, die ein No-Deal Brexit mit sich bringt, hat die britische Regierung eine Reihe von Änderungen erarbeitet, damit die britischen Regelungen im Falle eines No-Deal-Brexit vollständig greifen. Insbesondere für wichtige Punkte der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) und der IVD-Verordnung (IVDR) wurde ein verändertes Regelwerk geschaffen, The Medical Devices (Amendment etc.) (EU Exit) Regulations 2019 (Medizinprodukte-Verordnung 2019 (Änderung etc.) (EU-Austritt)). Die Vorschriften sind für alle verbindlich, die Medizinprodukte auf den britischen Markt bringen wollen. Die Änderung wurde im Qarad-Bericht „Auswirkungen eines No-Deal-Brexit“ behandelt.
Die britische Regierung, insbesondere das Ministerium für Gesundheits- und Sozialfürsorge, hat kürzlich eine Meldung mit weiteren Leitlinien zu Arzneimitteln, Medizinprodukten und klinischen Studien und den Punkten veröffentlicht, die im Falle eines No-Deals zu berücksichtigen sind. Die Meldung wurde im Januar vorgelegt, um die Vorbereitungen zum Brexit zu beschleunigen, denn auch wenn der Abschluss eines Austrittsabkommens nach wie vor Priorität genießt, müssen die Unternehmen für den Fall eines No-Deals gerüstet sein. Gemäß der Meldung plant die medizinische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel in Großbritannien (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency – MHRA) für Anfang Herbst 2019 eine Anhörung zur Regulierung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und klinischen Studien. Ziel der Anhörung ist die Erstellung eines umfassenderen technischen Dokuments, das verbindliche Leitlinien an die Hand gibt. Die derzeit vom Ministerium für Gesundheits- und Sozialfürsorge hervorgehobenen Hauptpunkte sind:
Arzneimittel: Nach dem 29. März wird das Vereinigte Königreich für den Fall, dass es keine Einigung gibt, nicht mehr Teil des EU-Regulierungsnetzes sein, und die MHRA wird Funktionen übernehmen, die die EU zuvor auf dem britischen Markt wahrgenommen hat, bis das britische Recht geändert wird. Die Änderungen werden voraussichtlich im Rahmen der Anhörungen im Herbst kommuniziert.
Medizinprodukte: Das Vereinigte Königreich wird Medizinprodukte anerkennen, die für den EU-Markt zugelassen sind und das CE-Zeichen tragen. Das Vereinigte Königreich wird alle Kernelemente der Medizinprodukte-Verordnung (MDR) und der Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) einhalten, die ab Mai 2020 bzw. 2022 in der EU gelten, obwohl das Vereinigte Königreich nicht mehr formell in EU-Ausschüssen vertreten sein wird.
Klinische Studien: Die Verordnungen von 2004 wurden so geändert, dass sie auch nach dem Austritt aus der EU für das Vereinigte Königreich gelten. Die neue EU-Verordnung über klinische Prüfungen (CTR) 536/2014 wird zum Zeitpunkt des Austritts in der EU nicht in Kraft sein und daher am Austrittstag nicht in das britische Recht übernommen. Das Vereinigte Königreich wird seine Rechtsvorschriften jedoch nach dem 29. März 2019 soweit möglich an die CTR anpassen.
Brexit-Folgen für Industrieprodukte: geistige Schutzrechte, Patente und Marken
Das spanische Institut für Außenhandel ICEX hat kürzlich eine Erklärung zu den Brexit-Folgen für gewerbliche Schutzrechte herausgegeben, an der wir Sie ebenfalls teilhaben lassen möchten. Im Falle eines No-Deal-Brexit werden die EU-Vorschriften zum Schutz der gewerblichen Schutzrechte nicht mehr wirksam sein, sodass geistige Schutzrechte jeder Art, die ausschließlich beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum eingetragen und durch geografische Angaben geschützt sind, keinen Schutz im Vereinigten Königreich mehr genießen. Sie sind nur dann geschützt, wen sie auch beim britischen Patent- und Markenamt eingetragen wurden. Daher gilt der allgemeine Rat, mit der Eintragung von Marken, Patenten und jeder Art von geistigen Schutzrechten im Vereinigten Königreich zu beginnen. Die zuständige britische Behörde kann die Zahlung einer Abgabe verlangen, damit die Antragsteller ihre Schutzrechte behalten können. Dieser Vorgang könnte sich zukünftig ändern, je nachdem, inwieweit sich das Vereinigte Königreich und die EU zur Zusammenarbeit im Bereich der gewerblichen Schutzrechte verpflichtet haben.
Die EU-Sprache in Zeiten des Brexit
Dieser Artikel befasst sich vor allem mit den Brexit-Folgen für die Industrie und das produzierende Gewerbe, insbesondere für die Medizinbranche. In all diesen Bereichen verliert das Vereinigte Königreich seine Gestaltungsmöglichkeiten in der EU. Es gibt weitere Bereiche, in denen das Vereinigte Königreich an Macht und Einfluss verlieren könnte, und dazu gehört die Sprache.
Es werden bereits Zweifel an der Rolle der englischen Sprache in der EU laut. Obwohl Englisch sowohl in Irland als auch in Malta eine Amtssprache ist, sind die ersten Amtssprachen dieser Länder Irisch bzw. Maltesisch. Auch wenn die englische Sprache weltweit sehr gebräuchlich ist, könnte die Beibehaltung als Amtssprache in der EU gegen den Geist des Lissabon-Vertrags verstoßen oder zu Forderungen nach einer Internationalisierung führen, zum Beispiel zu einer Aufforderung an Irland und Malta, Englisch als erste Amtssprache einzuführen. Dieses Thema wird im Artikel „Das Schicksal der englischen Sprache in der EU nach dem Brexit: Erwartete und unerwartete Wendungen“ aufgegriffen.
Der Artikel untersucht verschiedene Arten, Sprecher einer Sprache (mit mehr oder weniger guten Kenntnissen) zu zählen, und befasst sich mit verschiedenen Möglichkeiten für EU-Sprachen vor dem Hintergrund der vielen deutschen und französischen Muttersprachler (Deutschland und Österreich mit zusammen 90 Millionen Muttersprachlern, Frankreich mit insgesamt 70 Millionen) im Vergleich den englischen Muttersprachlern der britischen Bevölkerung (60 Millionen).
Die Brexit-Folgen werden auf verschiedenen Ebenen zu spüren sein, z.B. im industriellen Sektor, insbesondere im medizinischen Bereich, und bei den geistigen Schutzrechten. In diesem Artikel haben wir dargelegt, was im Falle eines No-Deal-Austritts passieren wird, und einige Fragen im Zusammenhang mit der Sprache betrachtet, die sich auch auf neue Rechtsvorschriften nach dem Brexit auswirken könnten.
Die englische Sprache wird sicherlich nicht einfach über Nacht verschwinden und der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU wird weitergehen. Schließlich ist die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen aus der EU und Drittländern Alltag. Was sich wahrscheinlich ändern wird, sind die Regeln und Vorschriften, die dieser Zusammenarbeit zugrunde liegen werden. Wichtig ist, auf diese Änderungen vorbereitet zu sein, auch hinsichtlich der Sprache.
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